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Teil1

420 v. Chr. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet von dem kleinasiatischen Volksstamm der Aggripäer, die mit dem Begriff "Aschy" offenbar das Auspressen von Äpfel betrieben.
Von den Griechen und Römern ist der Ausdruck "sicera" überliefert.

50 v. Chr. In den Schriften des römischen Schreibers Plinius heißt es: "Man macht Wein aus Birnen und allen Sorten von Äpfeln".

11 n. Chr. Beschreibt Strabon von Amaseia, ein stoischer Historiker und Geograph in seinem unvollendeten Werk "Geographika" über die Massageten am Kaspischen Meer, insbesondere über die Inselbewohner, daß diese vorwiegend Most aus Früchten von Bäumen getrunken hätten.

1. Jh. n. Chr. Der Bekannte Militärarzt unter den römischen Kaisern Claudius und Nero, sprach in seinem Werk über die Arzneimittelherstellung dem Obstwein heilende Kraft zu. Die Römer haben, das ist bekannt, von den Griechen die Obstkultur übernommen und wohl auch zum Teil die Herstellungstechnik von Obstweinen.

4. Jh. n. Chr. Schildert Palladius in seinem Werk: "Opus Agriculturae" die Kelterung von Birnen: "... sie wurden zerkleinert und in einen Sack ausgepreßt".

Die Obstweinzubereitung hat schon eine alte Tradition, wenn gleich nicht eine kulturgeschichtliche so bedeutsame wie die Gewinnung des Traubenweins. Schon mit ziemlicher Sicherheit kannten die Germanen den Obstwein neben den bei ihnen weitaus beliebteren Met, denn in ihrer Sprache hieß ersterer "lid", woraus die altgallische Bezeichnung "laith" entstand, denn auch die Franzosen lernten ihren "cidre" zuzubereiten und bis auf den heutigen Tag schätzen. Bis ins Mittelalter wurde der Obstwein als Volksgetränk kultiviert, was übrigens die gotische Bezeichnung "leithus" bestätigt. Damit war er länger bekannt als das Bier.

 

 

Aus der Geschichte des Kelterverfahrens

Der früheste Äpfelwein wurde mit zum Teil sehr primitiven Methoden vorbereitet. Von der ärmeren Landbevölkerung aus England (wo bekanntlich der „Cider“ eine ebenso lange Tradition hat wie der „Cidre“ in Frankreich und der „Most“ in Österreich, sich aber in allen drei Fällen vom Äpfelwein in der Herstellungsweise unterscheidet), daß noch bis ins 18. Jahrhundert hinein die Äpfel zunächst mit der Hand zerstoßen wurden.

In Devon wurden die Äpfel in einem hölzernen Trog zerschlagen, der aus einem ausgehöhlten Baumstamm hergestellt war. Zwei Männer mußten mit langstieligen Holzhämmern 20-30 Scheffel (= je 36 l) Äpfel pro Tag zerstampfen. Eine weitere billige Methode war das Zerquet-
schen der Frucht in einer Wanne mit einem Rollholz. Auch das Mahlen mit Wasserantrieb gehörte zu den altüberkommenen Methoden.
Daß sich vieles davon in gleicher oder ähnlicher Weise in Westeuropa und vor allem auch in Deutschland durchgesetzt haben muß, beweist ein altes, fragmentarisch erhaltenes Schriftstück (ohne Jahresangabe, aber mit Sicherheit aus der frühen Neuzeit) in vier Sprachen (deutsch, lateinisch, französisch und italienisch). Dort wird folgendermaßen über die Apfelmost-Herstellung berichtet:

„Anfänglich suchet man die guten, unangestoßenen Äpfel aus und zerknirschet sie in einem großen runden Trog unter einem oder zwey hölzernen und den Mühl-
steinen ähnlichen Klötzen, welche aufrechts stehen und mit ihrer Achse an einer Welle befestiget sind, die ein Pferd umdrähet. In Ermangelung einer Mühle kann man sie mit hölzernen Stempfeln zerstoßen, sodann bringt man sie unter eine dergleichen Kelter, als man zu den Trauben gebraucht. Damit aber dieser Apfel-
brey nicht über die Kelter abfließe, so trägt man erstlich eine viereckige Lage vier oder fünf Finger hoch auf und breitet Stroh darüber, welches über die Aepfel etwas hervorragen muß; auf dieses Stroh träget man die zweyte Lage von zerstoßenen Aepfel, decket wiederum Stroh darüber...“


H
ier ist also u. a. von der Pferdepresse die Rede, die mindestens bis ins 17. Jahrhundert zurückgeht, - zuerst mit einem Trog aus zwei, später aus zwanzig Mahlsteinen. Denn vor der Einführung mechanischer Energiequellen im 19. Jahrhundert nahmen Hand- und Pferdepresse an Umfang zu, um mit dem Ausmaß der Produktion Schritt halten zu können.
In Westengland gibt es heute noch die Mahl-
gangkelter. Sie besteht aus einem schweren

Steinrad das um einen zentralen Pfosten (Pflock) in einen Trog läuft. Da dieses Gerät erheblich teurer war als die vorher beschriebenen, mußte die Äpfelweinpro-
duktion schon hohe Gewinne abwerfen.

Wenngleich aus einheimischem Material hergestellt und in der Konstruktion gleichförmig, unterschieden sich diese Pressen nur in der Anzahl der Teile, die sie bildeten und in die der Trog unterteilt wurde. Kleine Pressen wurden aus zwei halbkreisförmigen Hälften geformt, wogegen die großen Walzen der Bauernhöfe und Landhäuser aus vier oder fünf Viertelkreisen zusammengesetzt sein konnten.
Da sich die Konstruktionen der Pressen im ganzen Land in stereotyper Weise durchsetzten, weil alle Pressen nach anderen, bereits existierenden, Vorbildern nachgebaut wurden, entstand ein traditionelles Modell der Äpfelweinpresse, das auch im deutschen Raum Verbreitung fand. Nicht allein aus England kamen diese Vorbilder (wo die älteste Presse aus dem 16. Jahrhundert stammt), sondern mit Sicherheit eher aus Frankreich, von wo aus sie auf die Kanalinseln gelangten.

Schon im Altertum gab es im nahen Osten und im Mittelmeerraum Keltern, die vor allem für die Ölgewinnung aus Oliven bestimmt waren.
Das Grundmodell der klassischen Mahlgangskelter war allgemein für eine Vielzahl von Zwecken vorgesehen und leicht anpaßbar. Wenn schon Griechen und Römern die Herstellung von Most bekannt war, so hatten sie mit Sicherheit nach den eben geschilderten Produktionsweisen gearbeitet, d. h. mit einer der von Columella (s. o.) beschriebene Olivenpresse ähnliche Apfelpresse, die aber einfacher konstruiert war; mit einem Rad, dessen volles Gewicht auf die Frucht fallen durfte, während beim Mahlen der Oliven durch ein zweites Rad die Kerne berücksichtigt werden mußten. Langsam hatte sich bei den Äpfelweinpressen auch das jeweils zweite (schleifende) Rad durchgesetzt, das dem ersten folgen sollte mit dem Ziel, über das Frucht-

fleisch zu laufen, das an den Rand des Troges gedrückt werden sollte.

In der Renaissance setzte sich der von Wasser-
kraft erzeugte Antrieb bei der Kelter durch, und Ende des 17. Jahrhunderts wurde in England eine Kelter mit handgetriebener Vorrichtung er-
funden (die „Ingernio“ von Worlidge), um den Antrieb mit Pferdekraft zu ersetzen.
Die „Ingenio“ fand in England immer mehr Verbreitung, zumal sie billig war, mehr Flexibilität in der Aufstellung und ein erhöhtes Ertragsquantum in der Produktion versprach (nämlich das Dreifache einer Pferdepresse). Die „Ingenio“ war allerdings eine Konstruktion aus

Holz und erwies sich als nicht so dauerhaft wie die Steinpresse, wurde aber zum Vorbild für alle mit Menschenhand zu betreibenden Konstruktionen der folgenden Jahrhunderte.

Als Alternative hatte sich die (aus der Weinkelter entwickelte) Presse mit Holzschraube verbreitet: auf der Platte der Äpfelweinpresse wurden mehrere Schichten zerquetschter Äpfel aufgestapelt. Die verschiedenen Apfelschichten wurden mit der vorher zurechtgemachten Strohschicht getrennt, um ein Zusammenhalten des Ganzen zu gewährleisten. (Ein Modell davon befindet sich heute noch im Landesmuseum der Äpfelweinerzeugung in Valogne (Normandie).

Aus dem Jahr 1875 ist uns überliefert, daß eine für diese Zeit in Deutschland als fortschrittlich geltende Mostereinrichtung aus einem Mahltrog und einer Presse bestand. Der Mahltrog war aus Holz, Teil eines Kreises, etwa vier Meter lang, in dem ein etwa ein Meter hoher und 15 cm starker kreisförmiger

Stein hin- und herbewegt und gerollt werden konnte, wozu 2-3 Personen nötig waren. Der Stein hatte in der Mitte ein Loch, durch das eine etwa mehr als armdicke Stange ging, deren entgegengesetztes Ende an der Wand oder an einem Pfosten beweglich eingehängt war wie eine Türangel. Das Obst wurde in den Holztrog geschüttet und vom hin- und herbewegten Stein zermahlen, dann in der Presse ausgedrückt.
Die Presse bestand aus einer hölzernen Unter-
lage („Biet“ genannt), etwa 1,5 m lang, 1 m breit und 60 cm hoch. Auf die Unterlage wurde ein abnehmbarer hölzerner Kasten gesetzt, dessen Wände in regelmäßigen Abständen mit Bohr-
löchern versehen waren, woraus der Saft abfloß, ehe das zermahlene Obst in den Pressekasten eingefüllt wurde, war dieser mit einem starken,

engmaschigen Preßtuch auszulegen, das den Trester (= das zermahlene Obst) fest zusam-
menhalten sollte. Dann kamen oben darauf Bretter und einige kurze Balkenstücke, die mittels der Spindel nach unten gedrückt und so das Obst ausgepreßt wurde. Diese Einrichtung ist zwar aus Baden-Württemberg überliefert (Stadtarchiv Ffm., Nachlaß Reeck), war aber mit ziemlicher Sicherheit auch in Hessen in gleicher oder ähnlicher Weise verbreitet.

Mechanische Keltergeräte in moderner Form wurden seit der Jahrhundertwende in Frankfurt a. M. von der Firma Mayfahrt & Co. hergestellt.

  

 

 

Äpfelweinherstellung heute

Die Äpfelweinherstellung stellt einen bedeu-
tenden wirtschaftlichen Faktor dar. In der Bundesrepublik sind über 46 Millionen ertrags-
fähige Apfelbäume gezählt worden, die im Schnitt 1,7 Millionen Tonnen Äpfel jährlich bringen, in guten Jahren auch über 2,5 Mio. Tonnen. Davon werden etwa 2/3 zu Apfelsaft und 1/3 zu Äpfelwein verarbeitet, die Produktion schwankt je nach dem Ernteergebnis.
Die einschlägigen Fachverbände schätzen, daß allein in Hessen etwa 70 Millionen Liter Äpfelwein produziert werden, davon im Frankfurter Raum um die 30 Millionen Liter, darunter sind auch die etwa 4 Millionen Liter der selbstkelternden Äpfel-
weinwirte enthalten. Für diese 30 Millionen Liter Äpfelwein werden 40.000 Tonnen Kelteräpfel benötigt. Um das plastisch vorzustellen: Jeden Herbst rollen ungefähr 2.000 Waggons oder Lastwagen mit jeweils 400 Zentner nach Frank-
furt herein, um in den Keltereien zum Frank-
furter Nationalgetränk verarbeitet zu werden.

Natürlich wird auch in der näheren und weiteren Umgegend von Frankfurt Äpfelwein hergestellt und getrunken. Der Äpfel-
weingenuß breitet sich immer stärker aus.
Die Kelterkampagne dauert bei den Wirten etwa 4 Wochen, bei den Keltereien 8 bis 10 Wochen. Verarbeitet werden frisch geschüttelte baumreife Äpfel aus der Umgebung von Frankfurt, dem Taunus, dem Maintal, der Wetterau und dem Odenwald. Die Äpfel müssen verarbeitet werden, solange sie noch prall und voller Saft sind. Angefaulte und pilzbefallene Äpfel, Mohrenköpfe, werden aussortiert, um einen reintönigen Äpfelwein zu erhalten.

Die Äpfel werden gewaschen, das geschieht in großen Bottichen durch mecha-
nisches Reiben oder Bürsten unter ständig fließendem Wasser. Über einen Elevator werden die Äpfel zur Rätzmühle befördert, zu Maische gemahlen, über eine Dosiervorrichtung in die engmaschigen Perlontücher geschüttet, wo die Maische eingepackt und zwischen Holzrosten zu 12 und mehr Packungen gestapelt wird. Der hydrauliche Preßvorgang mit Hilfe der modernen Drehbietschnellpressen dauert ungefähr 20 Minuten. Jetzt läuft der schäumende Saft in die bereitstehen-
den Bütten oder gleich in die im tiefen Keller lagernden Eichenholzfässer oder neuerdings in große Tanks. Die Fässer brauchen laufende Betreuung.

 

Leergezapfte Fässer müssen sofort gereinigt und danach monatlich überprüft werden. Der Küfer kriecht durch das „Putztürche“ ins Faß. Das wird gereinigt, gebrüht und geschwefelt. Die Tanks - eine hiesige Großkelterei hat zum Beispiel - einmalig im EWG-Raum - drei, umgebaute U-Boot-Druckkörper von je 418 000 Liter Inhalt, sind leichter zu reinigen. Die Wirte, die nur Fässer haben, schwören auf das bessere Aroma. Übliche Faßgrößen sind Halbstücke (600 Liter), Fuderfaß (1000 Liter), Stückfaß, Doppelstückfaß und 3000-, 5000-, 6000-Liter-Fässer.

Fehler im Äpfelwein kommen bei einem guten Äpfelwein-
wirt nicht vor. Es gab früher das Schwarzwerden von zuwenig Säure, oder Berührung mit Eisen, Essigstich von zu wenig Säure, leimig-werden durch zu große Wärme. Das Kahnig-werden können Sie selbst feststellen, wenn eine Flasche Äpfelwein zu lange im „Anbruch“ war. Genau so entstehen durch Hinzutreten von Luft die Fehler im Faß. Der Äpfelwein wird beim sorgfältigen Wirt verstochen, das ist durch Mischen der Fässer auf eine gute Mittelqualität gebracht. Danach muß er einige Wochen ruhen. Trotz moderner Maschinen und rationellen Arbeitens bleibt die Kelterei eine handwerk-
liche Arbeit. In Großbetrieben wird mit elektronisch gesteuerten vollautomatischen Pressen gearbeitet, die ohne das Packen kontinuierlich arbeiten. Je nach der Qualität der Äpfel und der verwendeten Pressen ist die Ausbeute. Sie liegt zwischen 70 und 80%. Nach einer Faustregel ergeben 3 Zentner Äpfel rund 100 Liter fertigen Äpfelwein.

Der zurückbleibende Trester hat die Form von Fußmatten ist aber als solcher nicht zu verwenden.
Er geht an Pektinhersteller, an Schäfer zum Verfüttern an die Schafe oder verschwindet irgendwo.
Nach der Einlagerung im Keller beginnt nach ein paar Tagen die stürmische Gärung, wobei der Fruchtzucker in Alkohol und Kohlensäure aufgespalten wird. Ein Teil der Kohlensäure wird im Äpfelwein gebunden, der übrige Teil entweicht als Gärgas in den Keller. Diese Gärgase können zum Erstickungstod führen. Daher muß der Kellermeister oder Wirt einen Gärkeller, der nicht be- und entlüftet wird, immer mit einer brennenden Kerze betreten, erlöscht die Kerze, muß der Keller sofort verlassen werden.

Mit dem Keltern darf man nicht zu früh beginnen, aus unreifen Äpfeln entsteht kein guter Äpfelwein. Die richtige Kelterzeit ist der Monat Oktober.


Süßer - Rauscher - Neuer Heller - Neuer- Alter
Die verschiedenen Stadien vom Most bis zum fertigen Äpfelwein.

Der Äpfelwein als Kind,
süß aus der Kelter rinnt...

Mit dem Abpressen für den „Süßen“ wird schon Mitte September begonnen, vorausgesetzt die Äpfel haben die nötige Süße von mindestens 45 Grad Öchsle Zuckergewicht erreicht. Die Frankfurter nennen diesen Most auch „Siesse“, einfach, weil der trübe, bräunliche Saft angenehm süß schmeckt.
Übrigens: Es gibt keinen „süßen Äpfelwein“, obwohl überall ihn die Schilder an-
preisen. Süßer ist noch kein Wein, er ist Most und es könnte ja auch Apfelsaft draus werden. Die Wirte sagen: Wenn der erste „Sieße“ kommt, dann wollen ihn alle, wenn er am besten ist, dann will ihn keiner - und dann kommen die Spätzünder.

Mit Jünglingsmut darauf
rauscht er mächtig auf!

Der Rauscher, strohig gelb, entspricht dem Federweißen beim Wein. Er heißt auch Brummer, weil er im Faß brummt, aber auch Flitzer, Rizinus und Hosenschisser. Aus den Bezeichnungen ist auch für den Neuling eine gewisse Gefährlichkeit herauszulesen, gelle? (Siehe auch unter dem Kapitel Gesundheit Punkt 13 nach).
Der Rauscher ist der werdende, der studentische, der wühlende, gärende. Und die Gefahr: er gärt im Trinker weiter und - will hinaus. In seiner Heimtücke verrät er dem Unerfahrenen nicht, ob er „obergärig“ oder „untergärig“ ist.
Kenner lieben den Rauscher in Maßen, nicht in Massen. So nach 8 bis 14 Tagen, je nach Temperatur hat er seinen geschmacklichen Höhepunkt. Nach weiterer Gärung wird der Rauscher allmählich prickelnd, man nennt ihn nun den „Bizzler“.

Den ächten Manneswert
kriegt er, wenn er gärt!

Und schon hat unser Äpfelwein sein nächstes Stadium erreicht und zeigt sich als „Neuer Heller“. Er hat schon die Hauptgärung hinter sich, ist leicht trüb und sozu-
sagen der Äpfelwein in seinen Gesellenjahren, denn er schmeckt schon wie Äpfel-
wein, wird von Tag zu Tag klarer und muß nun „von der Hefe gezogen werden“.
Es gibt ihn meist gegen Ende Dezember. In manchen Wirtschaften aus Tradition am 2. Weihnachtsfeiertag oder am Neujahrstag wird der Neue Helle angezapft - aber meist - wenn das letzte Faß Alter leer ist.
Als konservativ-fortschrittlich kann man sich nennen, wenn man`s mit dem „Alten“ hält, aber auch dem „Neuen“ seine Gunst schenkt.

Wenn er an Kräften reich
strahlend dem Golde gleich!

Der Neue, das ist dann wieder der Alte. So richtig fertig und reif wird der Äpfel-
wein im Laufe des Frühjahrs. Er steht golden im Glas und ist in seinem besten Mannesalter, heißt „Hohenastheimer“, auch „Stöffche“ und Babbelwasser.
So hält er sich bis Ende des Jahres. Ab dann ist seine Glanzzeit vorrüber.
Der Apfelwein-Geschmack hat sich geändert in den letzten Jahrzehnten: Früher war der Apfelwein hart im Geschmack, zeitweise sogar richtig sauer, heute geht der Geschmackstrend hin zum milden Apfelwein. Das Stöffche soll reintönig, frisch, spritzig und sauber schmecken.

Jetzt kann man nur noch sagen: „Zum Wohle“.

 

 

 

 

 

 

 

Der Bembel

Im Brockhaus steht Apfelweinkrug, ist das Gefäß, aus dem der Apfelwein ausgeschenkt wird. Er ist ein dick-
bauchiges Keramikgefäß mit verhältnismäßig kleiner Öffnung, graublau glasiert und meist mit blauer Bemalung verziert.
Die gebräuchlichsten Größen fassen 1 bis 12 Liter. Schon bei mehr als einer Person lohnt es sich, einen Bembel zu bestellen. Das Stöffche geht dann nicht so schnell aus, die Bedienung muß nicht so oft rennen und man selbst nicht mit leerem Glas auf Nachschub warten. Der Bembel hat sich aus zwei Gefäßformen entwickelt. Zum einen aus der Frankfurter Kanne, die lange Zeit das ausgewiesene Schankgefäß für Wein in Frankfurt war. Ihre Form war elegant, leicht ausgebaucht, mit einem längeren, weiten Hals und Ausguß. Sie war mit einem dicken Henkel und in seltenen Fällen mit einem Zinndeckel versehen.

Hergestellt wurde sie im Westerwald, dem Kannen-
bäckerland, aus salzglasiertem Steinzeug, reichhaltig mit Blaumalerei und Ritztechnik verziert. Die zweite Gefäß-
form, eine der ältesten Europas, war der Krug. Er hatte einen kurzen, engen Hals ohne Ausguß, war stark aus-
gebaucht, mit einem kleinen Henkel und manchmal mit einem Deckel oder Korken zu verschließen.
Sein Dekor bestand lediglich aus Blaumalerei. Mit einem Fassungsvermögen von 3/4 bis 1 Liter diente er den Bauern und in Frankfurt den Heckern als Apfelwein-
behältnis, in größeren Formen bis zu 10 Litern als Öl- oder Wasservorratsgerät.
Der Krug lieferte dem Bembel die bauchige Form mit enormen Fassungsvermögen - was den häufigen Gang in den Keller ersparte - und die einfache Dekoration. Ausguß, Halsform und Henkel stammen von der Kanne.

Der Ausguß ist gerade so bemessen, daß möglichst wenig von den Aromastoffen entweichen kann, er aber genügend Platz läßt, um den Bembel von innen zu reinigen.
Der kräftige Henkel ist so angesetzt, daß er einen guten Durchgriff bietet und der Bembel beim Tragen gut ausbalanciert werden kann, um möglichst nichts zu verschütten. Das Westerwälder Steinzeug hält seinen Inhalt kühl und schützt ihn vor Licht. Hier sind also Design und Funktionalität optimal verbunden.
Die erste Erwähnung des Bembels findet sich im Jahre 1893 in den von Johann Jacob Frieß geschriebenen „Humoristischen Memoiren eines alten Frankfurters“.
Wie aber der Bembel zu seinem Namen gekommen ist, bleibt bis heute unklar.
Dennoch bestehen mehrere Theorien: Der Bembel trägt seiner Dickbauchigkeit wegen mit Recht den Namen, denn Bembel leitet sich von Bombe ab.

Die Endsilbe -el ist eine Verkleinerung. Der Bembel heißt also kleine Bombe, der man Fuß und Ausguß gab... (Frankfurter Zeitung vom 16. Oktober 1927, nach dem Frankfurter Wörterbuch).Eine andere Vermutung besagt, daß sich das Wort „Bembel“ von dem Frankfurter Tätigkeitswort „bambeln“ ableitet. Bambeln bedeutet, wenn ein Gegenstand, an einer Schnur befestigt, unregelmäßig hin- und herschwingt. Denkbar wäre hier, daß der Bembel unter den Pferdewagen der Bauern festgebunden war, wenn sie aufs Feld oder zum Markt gingen oder, daß er im stützenden Schankgestell hin- und herschwang.
Dritte und hier letztgenannte Möglichkeit läßt sich von dem lateinischen Wort „pampinus“ (Rebe) ableiten. Im 17. Jahrhundert nannten die Studenten ihr Trinkgefäß „Pampel“. Daraus könnte im Laufe der Zeit Bembel geworden sein.

 

 

 

 

 

 

Das Apfelweinglas

Es ist fast typischer für das Apfelweintrinken als der Bembel, denn der Ausschank ist heute nicht mehr ausschließlich aus diesem Gefäß. Manch einer zapft sein Stöffche direkt aus dem Keller, außerdem gibt es die Flaschenabfüllung. Aber kein ver-
nünftiger Mensch würde auf die Idee kommen, den Apfelwein aus etwa anderem zu trinken, als aus dem gerippten Glas. Es würde gar nicht schmecken...
Seine Form ist einfach, ähnlich einem Becher und steht zweckmäßig fest auf dem Tisch. Einzige Verzierung sind die „Rippen“, die ein gleichmäßiges Rautenmuster ergeben und damit einen guten Griff gewährleisten. Wie sich das gerippte Glas entwickelt hat, weiß man bis heute nicht.

Der älteste Hinweis findet sich auf dem Gemälde eines Kölner Malers aus dem Jahre 1464. Hier hält einer der Abgebildeten ein Glas mit deutlichem Rippenmuster in der Hand. Gläser aus dieser und späterer Zeit waren immer ohne Henkel. Man nahm das Glas mit beiden Händen von der Tafel, trank und stellte es auch so wieder ab. Warum sich nun gerade dieses Glas im hessischen Raum für Apfelwein durchgesetzt hat, kann man nur raten. Durch das plastische Rautenmuster entsteht ein Gittereffekt. Das Spiel von Licht und Schatten des besonderen Glasschliffs ließ den damals noch eher trüben Apfelwein klarer beziehungsweise reiner erscheinen, also auch appetitlicher. Dieses Muster erfüllte jedoch noch eine weitere Funktion. Früher aß man in einfachen Kreisen nur mit dem Messer, die Gabel wurde durch die Finger ersetzt.

Die wurden im Laufe des Essens natürlich fettig, und da war ein geripptes Glas besser in der Hand zu halten als ein glattes.
Als übliche Größen haben sich das 0,25- und das 0,3- Liter-Glas eingebürgert. Letzteres kommt ausschließlich in Frankfurt auf den Tisch. Das kleinere Glas hat sich in allen anderen Gebieten durchgesetzt, obwohl der Apfelwein, laut Frankfurter Kennern, aus den größeren Gläsern besser schmeckt.

Das Wort „Schoppen“ war früher übrigens in Deutschland ein vielverwendetes Maß für einen halben Liter.

 

   

Apfelsorten und andere saure Früchtchen

Leider ist nicht jeder Apfel, der vom Baume fällt oder gepflückt wurde, als Rohstoff zur Äpfelwein-
herstellung gleichermaßen gut geeignet.
Denn aus einem süßlichen, saftlosen italienischen Abbondanza oder Morgenduft, die aussehen, als habe sie Botticelli gemalt, läßt sich beim besten Willen kein anständiger Apfelwein keltern. Dazu wird ein rauher Boskop oder der kleine rote Trierer Weinapfel gebraucht, der so sauer ist, daß er einem beim Hineinbeißen die Schuhe auszieht.
Für den besten Kelterapfel überhaupt halten Fach-
leute den „Bitterfelder“ mit seinem außergewöhn-

lich hohen Säure- und Zuckergehalt.
Andere wesentliche Kelterobstsorten sind der Winter-Rambur, der Rheinische Bohnapfel und der große Bohnapfel, Schafsnase, Borsdorfer, Brettacher, Gewürzluike, die verschiedenen Renetten, die Winter-
goldparmäne, grüner Fürstenapfel, der rote Eiser-
apfel, Himbacher Grüner und viele Lokalsorten. Fast alle sind spätreifend. Sie sind säuerlich, würzig und saftig. Edle Obstsorten können allenfalls im Verschnitt gekeltert werden. Frühobst besitzt nur einen geringen Zucker-, Säure- und Extraktgehalt. Der daraus herge-
stellte Apfelwein ist alkoholarm und schmeckt fade und leer, „wie eingeschlafene Fieß“, sagen die Kenner

und schütteln sich voller Abscheu. Auch hier gibt es Ausnahmen. Gewisse Tafeläpfel wie Cox und Ontario sind durchaus gut brauchbar, aber natürlich viel zu teuer.

..SPEIERLING

Die bekannteste unserer „sauren“ hessischen Kelter-
früchte ist der SPEIERLING. Bei einer Zugabe von mindestens 1% Speierlingsaft reift ein glanzklarer Apfelwein. Im Geschmack zeigt er eine volle und doch harmonische Frucht bei einem charakteristischen, trockenen Nachklang. Der sehr seltene Speierlingbaum ist übrigens keine Apfelart, sondern gehört zur Familie der Eberesche. Die Frucht ist klein und außerordentlich sauer. Anders als „normaler“ Apfelwein eignet sich ein echter Speierlingapfelwein daher gut zum Kochen von Schweinefleisch, Rindfleisch und Geflügel.

..MISPEL

 

Eine andere Frucht, die wir gerne verwenden, ist die MISPEL.
Die Mispel macht den Apfelwein wuchtiger, die herzhafte Frucht gibt ihm ein feinwürziges Aroma bei einem ausfüllend-kompakten Nachhall.
Dieser „barocke“ Apfelwein eignet sich auch zum Kochen. Gerade leichte Wildgerichte bekommen damit eine besonders pikante Geschmacksnote.

Die EBERESCHE gibt dem Apfelwein eine wilde, derbe Note. Ein mit Ebereschenfrucht gekelterter Apfelwein schmeckt leicht säuerlich mit einem kräftigen, eigenen Nachklang. Er eignet sich als Begleitung zu kräftigen Wildgerichten; großartig schmeckt er vor allem zum Wildschwein!

Die QUITTE ist die einzige der sauren Früchte, die dem Apfelwein ihr eigenes Aroma gibt. Den Quittenäppelwoi und seine enorme Fruchtfülle verrät schon sein opulenter und dabei doch feiner Duft im Glas. Dieses Geschmacksbild macht ihn zum passenden Begleiter für die hessische Küche. Getrunken zu Hausmacher Wurst, Bauernbrot, sauren Gurken und scharfen Senf, kann der Quittenapfelwein Fett und Gewürze neutralisieren.

Die SCHLEHE gibt dem Apfelwein Tannine und Gerbstoffe, die sich im Geschmack als fruchtig-frische, ja sogar fast durstlöschende Note auf der Zunge zeigen.
Im Geschmack ist dieser Äppelwoi weiniger. Er schmeckt zu gegrilltem oder gekochtem Fisch und auch zu allen frischen, leichten Sommeressen.

 

 


Der Apfelwein und die Gesundheit

Wer im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken von Gesundheit redet, erntet zumeist ein mehr oder weniger nachsichtiges Lächeln. „Na ja“, denken dann die anderen, „der sucht halt einen Grund zum Trinken.“ Richtig, ihr Zweifler, wir trinken Apfelwein, auch weil er nachweislich gesund ist. Unter allen alkoholischen Getränken dürfte das Stöffche wohl zu den Bekömmlichsten zählen; in Maßen genossen, versteht sich. Wer ihn mißbräuchlich einsetzt, muß, wie überall, mit der entsprechenden Quittung rechnen. „Modus est in rebus“, sagt der Lateiner, ein Maß ist in den Dingen. Wo gilt dieser Satz mehr als beim Trinken?

Die gesundheitsfördernde Wirkung des Apfelweins wird von der medizinischen Literatur durchweg und vorbehaltlos anerkannt. Wer trotzdem daran zweifelt, kann sich per Augenschein auch selbst davon überzeugen. Vor allem während der Dämmerzeit hocken in den einschlägigen Lokalen in und um Frankfurt Tausende eingeschworener Apfelweintrinker, die ihr Leben lang regelmäßig jeden Tag ihre vier bis sechs oder acht Schoppen gepetzt haben. Und sie alle haben das Pensionsalter längst überschritten.

 

 

 

Wirtschaften
Wirte, Gäste und ihr Verhalten

Wo´s Kränzche hängt...
Den Apfelwein lernt man am besten in seiner Atmosphäre kennen. Dazu muß man wissen, wo die richtigen Apfelweingaststätten sind. Manche der entsprechenden sind gar nicht so leicht ausfindig zu machen, da sie weder durch besonders schöne Häuser noch durch stolze Wirtshausschilder auffallen, sondern oft nur an einem grünen Kranz (Symbol des Frankfurter Wahlspruchs „Lewe un lewe lasse“), mit Bembel oder Apfel über der Eingangstür zu erkennen sind und damit kundtun:
hier wo´s Kränzche hängt, da wird ausgeschenkt.

Angeordnet wurde das Heraushängen des Fichtekranzes um 1641. Früher gab es in Frankfurt die Heckenwirtschaften. Die Weingärtner auch „Häcker“ genannt (daher der Name „Hecke“), verzapften ihren eigenen, selbstgekelterten Äpfelwein in ihrem Haus, meist in den Parterrelokalitäten ihrer Behausungen, die sonst als Wohnräume dienten. Das war meist die ausgeräumte Wohnstube, wurde diese zu klein, wurde auch der Flur und die nach oben führende Treppe zu Wirtschaftszwecken herangezogen. Später kam ein Schankraum dazu, der aber auch nur sehr einfach eingerichtet war: ein Schanktisch, dahinter die „Spühlbrenk“ mit Trocken- und Ablaufbrett. Auf dem Schanktisch der Faulenzer als Einschenkhilfsgerät, in dem der Bembel (auch heute noch) steht. Natürlich waren diese ersten

Wirtschaften eher spartanisch als komfortabel eingerichtet, aber das Publikum fühlte sich dort wohl und ein echter Ebbelweiwirt will nicht protzen. Er sagt sich: „Mei guder Schobbe lobt sich von selbst“. Und wirklich, wo es heute noch einen guten Schoppen gibt, sind die Gaststätten oder Gärten auch immer gut besucht von freundlichen, gemütlichen Menschen, von denen wir später noch berichten werden.


Kommen wir aber erst einmal zu den Wirten, denn sie sind
ein Kapitel für sich - und darum sollen sie auch eins haben.

Im allgemeinen zeichneten sie sich früher nicht durch übergroße Höflichkeit aus, sondern eher durch Grob- und Derbheit. Sie meinten: zu höflich is albern.
Manche von ihnen haben es durch ihre Grobheit zur örtlichen Berühmtheit gebracht. Sie fühlten sich in der Gaststube als absoluter Herrscher, und ihre Gäste hatten sich in den Wünschen und Forderungen danach zu richten, was der Wirt bereit war zu geben. War ein Gast mit der Auswahl nicht recht zufrieden, bekam er zu hören: „Wann Ihnen des net basst, fressese dehaam“! Dies oder ein anderer Ausspruch, wie: „Mer sin zwar grob, awwer mer maanes aach so“, kann man auch heute noch zuhören bekommen, denn die Äpfelweinwirte, die fast alle aus uralten Frankfurter Familien stammen, haben zwar das Herz auf dem rechten Fleck, jedoch sind sie mit dem Mundwerk nicht verlegen, wenn man sie herausfordert.

Sie sind bodenständig verwurzelt, halten auf Tradition und das Brauchtum.
Die 65 Äpfelweinwirte, die in der 1919 gegründeten „Vereinigung der Äpfelweinkeltereien mit eigenem Ausschank Frankfurt am Main und Umgebung e. V. “ sind, bemühen sich, auf die Qualität des Stöffche zu achten. Außerdem sind die Äpfelweinwirte von jeher selbstbewußt genug, um sich auch mit der Obrigkeit anzulegen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ob es um die Steuer geht, um die Konzession, oder um Auflagen vom Gewerbe- und Ordnungsamt, man scheut sich nicht, notfalls auch selbst den Gang zum Kadi anzutreten.
Schlußfolgernd: Der dumme Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“, trifft auf die Äpfelweinwirte nun wirklich nicht zu, da sie ihr Metier voll und ganz im Griff haben.


Gäste und ihr Verhalten

Apfelwein trinkt man nicht, und saufen tut man ihn schon gar nicht, das machen nur die, die nichts davon verstehen. Sondern der Beginn der Prozedur wird mit einem einfachen : „Mer gehn zum Äppelwei, gehst de mit?“ angekündigt.
Der Akt der Flüssigkeitsaufnahme selbst wird dann bezeichnet mit Petze, Robbe oder Schlotze usw. Man gibt sich mehr oder weniger so wie man ist, möglichst ohne den Nachbarn auf den Wecker zu fallen, „die hawwe nämlich selbst was zu lache“. Ohne Unterschied des Standes sitzt man beim Äpfelwein zusammen.
Man kann dieses einmalige Milieu nicht bunt genug schildern, man muß es selbst erlebt haben, wie sie auf den langen harten Bänken bis tief in die Nacht „hocken“, die gerippten Gläser umfassen und sich zutrinken. Eine einzige große Gemeinschaft von friedlichen „Berjer“, die ihren „Schoppe petze“.

Versuchen Sie nicht als Fremder „frankforterisch auf hochdeutsch zu babbele“, sonst sind Sie ein „Klugschisser“. Der Frankfurter liebt das Ungezwungene und drückt sich deutlich aus. Es darf auch ruhig mal lauter werden und man haut sich auch mal auf die Schenkel. Aber jede Ausgelassenheit findet ihre natürlichen Grenzen irgendwo vorm Nachbartisch. Umgekehrt ist oberste Verhaltensregel immer Toleranz, auch wenn sie manchmal ein bißchen strapaziert wird. Wird es gar zu „doll“, lassen sie das den Wirt besorgen.

Ein echter Frankfurter kennt natürlich seinen Äpfelwein und liebt ihn über alles. Er kennt alle Äpfelweinlokale weit und breit, hibb der Bach, dribb der Bach und drumherum. Selbstverständlich hat er auch sein Stammlokal, wo er „dahaam“ ist und seinen angestammten Platz zur bestimmten Uhrzeit behauptet; der Wirt könnte seine Uhr danach stellen, so pünktlich stehen die Gäste vor der Tür.
Wer Stille sucht und in sich selbst einkehren will, sollte am Nachmittag oder frühen Abend zum Äpfelwein gehen, „schee ruhig un gemiedlich“.
Das ziehen die Geschworenen vor. Geschworene, was ist das, wird man sich fragen, das sind Kenner, die sich ein Urteil über den Äpfelwein erlauben können.

Wenn sie länger sitzen, sind es „Brenner“. Die „Rundbrenner“ petzen zwei Anstandsschoppen, verabschieden sich nach Hause - und schwenken gleich darauf in der nächsten Zapfstelle die Gurgel.
Da die Frankfurter ein goldiges Gemüt haben, lassen sie auch die Fremden, die „Eigeplackte“, die „Messfremde“ und die „Zugeloffene“ sich bei ihnen am Tisch niedersetzen. Bald werden sie in das Gespräch einbezogen, denn der Frankfurter „babbelt“ gern. Mit „Ei gude - wo komme se denn her?“ wird die nun abendfüllende Unterhaltung eingeleitet, man rückt näher zusammen und nach etlichen Schoppen Äpfelwein wird immer lebhafter „schläächtgeschwätzt“ wie mit uralten Bekannten. Apropos „Babbeln“, es ist unhöflich, einen Nicht-Frankfurter darauf aufmerksam zu machen, daß er kein Deutsch kann. Die meisten merken es im Laufe des Abends ohnehin selbst.

Der Äpfelweintrinker bevorzugt heute einen aromatischen und spritzigen Äpfelwein mit einer feinen Fruchtsäure, vor allem, nachdem auch die Damenwelt Geschmack am Äpfelwein und seinem Millieu gefunden hat. Früher gingen bekanntlich die Herren allein zu ihrem Schoppen, nur sonntags durften auch die Frauen mit. Die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert, heute gehen die jungen und die immer jungbleibenden Damen selbstverständlich auch alleine zum Äpfelwein.

Ein echter Äpfelweingeschworener trinkt seinen Äpfelwein nur pur.
Autofahrer trinken „Gespritzte“, der Äpfelwein ist dann mit Mineralwasser verdünnt. „Herrengespritzter“, das ist Apfelwein mit Sekt gespritzt.
Süßgespritzter“ ist verpönt. Mutet keinem Äpfelweinwirt zu, seinen guten Schoppen mit Limonade zu verpanschen! Gäste, die es trotzdem verlangen, werden wie Adam und Eva aus dem Äpfelweinparadies vertrieben.
In den jungen Kreisen der Banker und Yuppies hat der Äpfelwein das Modewort „Äppler“ erhalten.

Wer Bier trinken will, soll in eine Bierschwemme gehen, es ist ein sehr degoutanter (ekelhafter) Anblick, wenn auf einem blank gescheuerten Apfelweintisch Bierflaschen stehen.
In einer echten Apfelweinwirtschaft wird Bier absolut verpönt und erst garnicht ausgeschenkt, allenfalls Malzbier für Kinder und werdende Mütter. Es muß aber nachgewiesen werden, daß es sich wirklich um solche Personen handelt.

Zum Apfelwein muß man etwas essen, damit man eine Grundlage hat und nicht schon beim zweiten Schoppen das Gleichgewicht verliert.
Beliebte Kleinigkeiten sind Brezeln, Hartekuchen (Zimtgebäck), Kümmelweck, Zöpf und Makronen. Sie werden vom „Brezzelbub“ gebracht, der seine Runden durch die Wirtschaften zieht. Man kauft sie direkt aus seinem Korb, der meist gut gefüllt ist.
Wer größeren Hunger verspürt, der kann sich mit Frankfurter Spezialitäten wie Rippchen oder Haspel mit Kraut, Ochsenfleisch, Zunge mit grüner Soße, Fleisch- und Rindswurst, Frankfurter Würstchen und natürlich nicht zu vergessen, „Handkäs mit Musik“ sättigen.
Die Speisekarten der Apfelweingaststätten sind mittlerweile umfangreicher geworden, so daß man auch Gebackenes und Gebratenes bekommt. Jedoch empfiehlt sich immer die jeweilige Spezialität des Hauses. Diese Wahl wird selten enttäuscht!

Vor dem Heimgehen nimmt man gern noch einen Rollschobbe, dabei tranken früher mehrere Personen den letzten Schoppen aus einem gemeinsamen Glas - heute bekommt humanerweise jeder Gast ein eigenes Glas. An der Theke können Sie auch beim Vorbeigehen noch „aan zum Abgewehne“ nehmen, das ist dann der Drollschobbe, dann trollt man sich.